2014 fing meine Tochter mit dem Reiten an. Für mich sehr schwierig, da ich Tierhaarallergie habe und oft beim Training im Auto sitzen musste. Sophia musste dann immer die Kleider wechseln und in einer Tüte verstauen, sonst musste ich niesen. Interesse und Lust sorgten aber dafür, dass ich ab und an den Stall betrat und hoffte mich dabei desensibilisieren zu können. Kaum mit Erfolg. Mit Taschentuch vor der Nase versuchte ich den Kontakt mit Staub und Haaren zu vermeiden, aber Augenbrennen, Tränen und Niesen gab es doch jedes Mal.
Im Frühjahr 2015 erzählt mir eine Bekannte von Freunden, die in Döffingen bei Sindelfingen reiten und vorhatten ein Pferd zu kaufen. Vielleicht könnte man das Projekt zusammen wagen, um Kosten und Aufwand gering zu halten? Wir besuchten diese Familie und sichteten Pferd und Hof. Alles war sehr schön und nett, so dass wir dort auch immer öfters die Freizeit verbrachten und Sophia anfing nebenbei auch hier Reitstunden zu nehmen. Das Horse-Sharing kam allerdings nicht zustande.
Während Sophia eines Tages ritt, spazierte ich über den Hof und mir fiel ein hübscher Kopf auf, der aus einer Box lugte: Capi!
Beim näheren Betrachten fiel mir auf, dass er sehr mager und unsicher dastand. Da er auch ein Pferd der Reitlehrerin war, erkundigte ich mich nach seinem Befinden und erfuhr, dass er von ihr unterversorgt und schlecht bewegt gekauft worden war. Sie erhoffte sich - dank guter Blutlinie - großes Potential und sah schon eine erfolgreiche Karriere vor sich. Dafür musste sie ihn aber schnellstens auf die Beine bekommen. Schnell merkte sie, dass der Hengst, vor Schwäche oft fallend, nicht so mit ihr arbeiten konnte, wie erhofft. Mir tat er Leid, wie er so da stand, also bot ich an, während Sophia ritt zu putzen und zu misten.
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Im Sommerkleid mit Sandalen stand ich im Mist und schaufelte was das Zeug hielt. Manchmal täglich, da ich beobachtete, dass Capi nur alle 2 Tage gemistet wurde. Als bislang nicht erfahrene Stallfrau hatte ich schnell die Hände mit Blasen versehen, stank nach Stall und stand im nassen Heu. Aber für dieses Tier war mir das alles egal. Sein Blick fesselte mich vom ersten Moment an, und ich fühlte mich ihm sehr verbunden. Finanziell brachte mir die Fürsorge am Pferd nichts.
Der Reitunterricht musste weiterhin bezahlt werden, aber ich spürte zunehmend, dass sich die Allergie in Grenzen hielt (vielleicht auch Dank Entgiftung, da ich Anfang des Jahres bei einer Heilpraktikerin war?). Auch Sophia fühlte sich für Capi mehr und mehr verantwortlich, sodass wir fast täglich 30 Km pro Strecke auf uns nahmen um ihn zu versorgen. Ich bat die Besitzerin ihn mehr zu bewegen und interessierte mich für die zukünftigen Trainingsvorstellungen. Sie wirkte traurig, da sie großes Potential in Captain Future B sah, aber merkte, dass er einfach mehr Zeit brauchte, als ihr zur Verfügung stand. Mit 5 Pferden, als junger Mensch, wollte sie schnell Geld verdienen und Karriere machen. Capi konnte diesem Tempo nicht standhalten. Er wurde nicht dicker und fiel beim Training mehrmals um. So musste man ihn aus der Führanlage aufhelfen und konnte ihn kaum auf die Koppeln stellen, da er ständig zum Stolpern neigte. Durch die Hengsthormone tat er gerne, als könne er Springen und Posen wie ein Großer, wobei er sich dann verletzte. Hämatome waren wohl täglich bei ihm. Anfang Juni wollte ich einer Pferdetrainerin das Tier zeigen und einen Rat einholen, was die Besitzerin mit ihm machen könnte. An diesem Tag stellte man Capi, warum auch immer, als Hengst neben einen Wallach auf die Koppel. Er setzte nach einigem großen Showeinsatz zum Sprung an und blieb in den Seilen der Koppelumzäunung hängen. Der Tierarzt, den die Trainerin vorausschauend mitbrachte, half Capi zum Stall zu bringen und befürchtete das Schlimmste. Es wurde ihm aber untersagt eine Untersuchungen an Capi vorzunehmen. Wir waren bestürzt. Als die Trainerin mit der Polizei drohte, rief die Besitzerin ihren eigenen Tierarzt, der Capi in der Box stöhnend liegen sah und sagte: "Wenn er bis 21.00 Uhr nicht aufsteht, müssen wir ihn wohl einschläfern.
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Dieser Unfall war zu heftig." Betroffen verbrachten wir den späten Nachmittag an Capi s Box. Alle hofften, aber nichts passierte, bis der kleine Kerl um zehn vor neun endlich aufstand. Wir waren glücklich! Da schwor ich mir, dass ich diesem Kämpfer helfen würde und flüsterte ihm ins Ohr: "Du willst leben?! Du darfst und wirst leben. Jetzt wird alles gut. Ich helfe Dir! Versprochen!" Am nächsten Tag freuten wir uns auf Capi. Die Vorbesitzerin kam schon am Eingang des Hofes fröhlich auf uns zu: "Ich habe eine Lösung für ihn. Er wird mir zu teuer und taugt nichts, daher habe ich eine Frau gefunden, die einen Traber mit Springpotential besitzt und ihn gerne gegen Capi tauschen würde. Sie sucht was zum Kuscheln und ich was für die Karriere. Sie springt nicht gerne, dann passt es doch." Wow! Das saß… So kauft und verkauft man also Pferde...
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Und die Bindung? Der Kerl hat doch gestern beinahe das zeitliche gesegnet und nun wird er wieder weitergereicht. Ich konnte es nicht glauben. Ich fragte nochmal, warum sie ihn jetzt aufgeben würde und sie sagte, es läge an den enormen Kosten, die sie nicht mehr tragen könne, wenn er nichts einbrächte. Da sie aber auch das große Potential in ihm sehen würde, gäbe sie ihn nur ungern ab. Diesen Moment nutzte ich und bot ihr an, die laufenden Kosten zu tragen, bis sie mit dem Tier die erhoffte Karriere starten könne. Sie war begeistert und stimmte zu. So begann ich sie zu unterstützen.
In den nächsten Tagen fiel mir allerdings weiterhin auf, dass an Capi nichts gemacht wurde und ich nicht für Etwas zahlen wollte, was mir nachher vielleicht wieder entzogen würde. Ich bat erneut um ein Gespräch und wollte die Zukunft mit ihr planen und einen detaillierten Trainingsplan erstellen. Capi stürzte weiterhin, war als Hengst am Hof nicht gerne gesehen, da er durch die Hormone ständig ausflippte, wenn Stuten oder Wallache den Weg kreuzten, was auch eine Gefahr für ihn bürgte, da er dann wieder in die Knie ging. So konnte er auch nicht mit anderen Tieren zusammen sein, was ich ihm so wünschte. Alle waren auf der Koppel, er in der Box. Erneut kam Unruhe auf und es wurde vom Verkauf, Gnadenhof oder Schlachter gesprochen. Für mich alles Neuland. Solche Entscheidungen kann man doch nicht so einfach treffen... Meine Tochter gebe ich auch nicht weg, wenn wir uns streiten... Und ein Tier töten? Warum? Nur weil er nicht die Leistung bringen kann, wie er soll? Dabei zeigt er täglich, dass er leben will... Ich musste dem einfach ein Ende setzen und bot an das Tier zu kaufen. Allerdings mit der wiederkehrenden Frage: "Was genau hat er? Hat er wirklich nur eine Muskelschwäche? Braucht er weiterhin nur Zeit? Wird er dann reitbar sein?" Nachdem ich diese Fragen wiederholt zu Capis Vorteil beantwortet bekommen hatte, stand für mich fest, dass er gekauft und besser versorgt werden sollte. Und so begann unser aufregender Sommer...
In Absprache mit der Vorbesitzerin sollte ich zum Wohle des Tieres die Kastration, das Training und einen Heilpraktiker in Erwägung ziehen. Das Training, welches sie übernehmen wollte, sollte ich in Vorkasse bezahlen.
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Der Heilpraktiker war von meiner Idee, diesem Tier zu helfen begeistert, sah aber einen langen Genesungsweg vor sich. Zeit hatte ich. Ich konnte und wollte nicht reiten, es ging mir einfach darum, dass das Tier ein schönes Leben bekommen sollte. Leider wurde das Training weiterhin nicht absolviert. Zusätzlich folgte der Kastration ein großer Schock. Der behandelnde Arzt rief mich an und fragte, ob ich wüsste, was ich da gekauft habe? Dieses Tier sei weder gepflegt, bräuchte dringend eine Wurmkur, ein Minimum, welches die Vorbesitzerin hätte machen können/müssen und sei hochgradig im Bewegungsapparat gestört. Es wäre stark ataktisch und damit eine Gefahr für sich und andere. Es wäre besser ihn einzuschläfern, da es viel Geld kosten würde. Ich solle mir vielleicht ein gesundes, reitbares Tier kaufen. Geschockt und zutiefst traurig rief ich die Vorbesitzerin an, was ich tun solle. Und fragte was sie mir verkauft habe??? Sie bestritt, dass das Tier diese Störung habe. Es sei in der Reiterbranche üblich schnell Tiere zu töten, die nicht dem eigentlichen Sinn entsprächen. Wenn ich Capi Zeit gebe, würde ich sehen, wie er sich macht. Ich bekam Angst: "Mensch, da spricht ein Tierarzt. Der hat das gelernt. Der wird das wissen. Er sagte dieses Tier ist eine Gefahr für sich und andere. Hast du mal an mein Kind gedacht?" Ich wollte ihn schon zurückgeben, aber sie betonte, dass mein Geld weg sei und ich mich dann eben auf eine Fehlinvestition eingelassen habe. Sei ihr auch schon passiert.
Wir könnten ja dann was Neues kaufen. Ich hatte dann jetzt folgende Möglichkeiten: Schlachter, Wilhelma für die Löwen, Rentnerkoppel - muss ich aber zahlen-, verschenken oder an einen Händler, den sie kannte abgeben. Sie meinte der Händler wüsste schon, was man mit so einem Tier machen kann. Geld gäbe es jedenfalls nicht zurück. Ich legte auf, weinte und rief erneut den Tierarzt an:"Kann dieses Pferd leben? Hat er Schmerzen?" Die Antwort:"Er kann leben, sehr gut sogar, allerdings weiß man nicht, wie lange. Er kann sehr alt werden, dabei wären die Kosten aber intensiv. Oder er könnte stolpern und sich beim Sturz verletzen. Was sollte ich tun? Ich spiele nicht Gott!
Ich entscheide nicht über Leben und Tod... Ich gab die Kastration frei, forderte Blutuntersuchungen und Röntgenbilder an. Ich nahm Kontakt zu einer Anwältin auf und zog die Pferdetrainerin, die ich bereits einmal geholt hatte, erneut zu Rat. Capi wurde nach der Kastration gleich mit Infusionen in Blick auf die festgestellte "Ataxie" behandelt. Anschließend konnte er erstmals seinen Schweif bewegen. Dieser lag zuvor immer verkehrt über eine Pobacke. Außerdem konnte er nun die vorderen Hufe geben. Zuvor fiel er hierbei häufig um. Ich übergab Captain Future B an die Trainerin Denise Kappler, welche ihn in die Reha brachte, wo er seit August 2015 von ihr und Tierarzt Michael Oberthür mit großen Fortschritten betreut wird.. Wir hatten mit einem Jahr Aufbau als Minimum gerechnet. Ein Risikoprojekt, Ausgang unkalkulierbar. Da Capi jung ist, großen Willen zeigt und Lust am Leben hat, waren die Beiden von Anfang an von seinem Naturell begeistert, obwohl sie auch sagten, dass er viel kosten wird und nicht absehbar ist, was die Zukunft bringt.
Im reiterlichen Sinne verständlich, warum so ein Tier eigentlich gleich eingeschläfert werden würde. Nun war er da und nun sollte er alle Chancen bekommen. Für uns stand fest: wenn er sich quält oder leidet, sowie Schmerzen bekommt und sich verschlechtern würde, würden wir ihn sofort erlösen. Frau Kappler startete mit dem Training, welches nach kurzer Zeit schon enorme Fortschritte brachte. Sie begann mit Gleichgewichts- und Koordinierungsübungen, übte normale Bewegungsabläufe, und arbeitete mit Michael Oberthür gemeinsam chiropraktisch an Capis total verkrampften Muskeln. Sämtliche Gelenke wurden an eine normale Bewegung gewöhnt und Muskeln entkrampft.
Anschließend konnte sie große Erfolge mit speziellem Laufbandtraining erreichen.
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Sie forderte eine gleichmäßige Bewegung, steigerte die Ausdauer und die Muskelaktivität und forderte seine Balance. Nach und nach wurde das tägliche Training gesteigert und Capi musste sich an die Leistung gewöhnen. Seine Bewegungen wurden sichtbar sicherer und stabiler. Nach einiger Zeit konnte er das erste Mal an einer Longe eine gebogene Linie laufen, ohne sich selbst zu treten. Noch einmal ein paar Wochen später, sogar antraben… Heute kann Capi Laufen ohne umzufallen, alle Hufe geben, den Schweif bewegen, Takt halten, traben und sogar galoppieren. Der Tierarzt vertiefte sich in diesen speziellen Fall und fand eine Spezialklinik, die sich auf Wobbler spezialisiert hatte. Ich wollte Capi diese Untersuchung und ggf. eine OP ermöglichen, wenn er damit ein normales Leben bekommen würde. Ich brauchte zwei Nächte Schlaf, denn meine finanziellen Grenzen waren nun langsam erreicht. Dennoch konnte und durfte ich Capi jetzt nicht hängen lassen. Die Untersuchung wurde gemacht, denn ich hatte ihm damals ein würdevolles Leben versprochen. Leider brachte die Untersuchung heraus, dass Capis Rückenmark frei ist, kein Wirbel drückt auf die Nerven. Seine Krankheit muss daher, nach Ausschlußkriterium, im Gehirn liegen. Er ist geistig behindert. Es kann genetisch, durch einen Sturz, Misshandlung oder eine Zecke passiert sein. Ein MRT würde da mehr zeigen, wurde bislang aus Kostengründen und zu Capis Wohl nicht gemacht.
Das MRT könnte auch nur Fragen beantworten, nicht heilen. Capi lernt sehr langsam, braucht klare Abläufe und zeigt oft untypisches Verhalten: Folgt auf Schritt und Tritt, sucht soziale Kontakte, zeigt mit 4 weiterhin Fohlenverhalten, und ist sehr dankbar und lieb für sein Alter. Dennoch ist er nachweislich schmerzfrei und zeigt Freude und Willen am Leben.
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Er hat erste Freunde, ein Bäuchlein bekommen, das Fell glänzt, er schiebt Fell, die Hufe wachsen, das Blutbild weiterhin -bis auf leichten Selenmangel- sehr gut. Sprich: Die Rettungsaktion ist ein voller Erfolg gewesen! Wir leben in einer Luxusgesellschaft. Warum darf ein behindertes Tier nicht leben? Wen stört er? Er entspricht nicht seinem Sinn - dem Fluchttier??? Wovor soll er fliehen? Gibt es Wölfe, Löwen und Bären, die ihn jagen? Steht er in der Herde und blockiert diese? Nein! Er steht auf der Koppel, geschützt aber bei seinem Freund. Der Stallwirt versorgt ihn mit Spezialfutter, er bekommt Luft, Futter, Freiraum und viel Liebe. Was will er mehr? Auch geistig behinderte Menschen können, wollen und dürfen leben und überraschen uns doch auch mit ihrer Liebe am Leben. So soll es auch für Capi sein! Wenn man ihn sieht, weiß man täglich, dass sich das alles gelohnt hat und er zeigt einem jeden Tag seine Dankbarkeit. Wir hoffen, dass er dies alles noch lange genießen kann und kein Rückschlag kommt. Natürlich auch, dass die medizinischen Kosten weiterhin zu tragen sind und wir ggf. dann auch eines Tages mit Capi arbeiten können. Vielleicht eignet er sich als Fotomodell für den Westernkatalog… wegrennen würde er dem Fotografen nicht.
Oder er kann zu therapeutischen Zwecken genutzt werden. Sein Naturell zeigt da interessante Ansätze. Alles aber nur, wenn es ihn nicht stresst. Capi zeigt jeden Tag, dass er durch sein junges Alter wunderbar lernen kann und will. Manchmal, wenn er auch mal bockig ist, erinnert er uns von sich aus daran, dass er früher stürzte. Dann geht er freiwillig, in Zeitlupe in die Knie, fängt sich aber sofort wieder oder nutzt es zum Quatsch machen. Reitbar wird er jedenfalls nie werden, denn er kennt es nicht geritten zu werden. Kein Reiter würde sich auf ein Tier setzen, das Gefahr läuft zu buckeln und dabei zu stürzen.
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Capi, jeder Tag mit Dir hat sich
gelohnt und macht so viel Freude,
gib nicht auf und mach weiter !!!
Ich hab mein Versprechen gehalten,
jetzt liegt es an Dir, wir unterstützen
Dich!